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«Ein Schreibcoaching lohnt sich für alle, die schreiben»

Schreibcoaching, Schreibroutinen, Schreibfallen - im Gespräch mit Alexandra Peischer geht es unter anderem um diese drei Themen.

Das Schreiben darf lustvoll sein und Spass machen. Davon ist Alexandra Peischer überzeugt. Deshalb basiert ihr Schreibcoaching-Ansatz auf dem kreativen Schreiben. Wie sie ihre Klient:innen begleitet, wann es sich lohnt, in ein Schreibcoaching zu gehen, und welche Schreibroutinen sie sich für ihr Buchprojekt aufgebaut hat, erfährst Du in unserem Gespräch.

Daniel: Liebe Alexandra, als Schreibcoach begleitest Du Menschen beim Schreiben. Was begeistert Dich an dieser Arbeit?

Alexandra: Als Schreibcoach darf ich meine eigene Freude am Schreiben weitergeben. Ich versuche anderen Menschen zu zeigen, dass das Schreiben Spass machen kann. Darüber hinaus interessieren mich viele Nebenthemen. Zum Beispiel versuche ich den Menschen die Angst vor dem leeren Blatt zu nehmen oder sie zu ermutigen, die eigene Schreibstimme zu finden. Was mir zudem immer ein Anliegen ist: Das Schreiben als Werkzeug fürs Leben zu verwenden.

Was meinst Du damit?

Beim Schreiben soll es nicht immer nur darum gehen, nach aussen etwas zu bewirken. Es ist auch ein wertvolles Instrument, um in sich zu gehen und zu reflektieren. Wenn ich dann merke, zu welchen Erkenntnissen die Schreibenden gelangen und wie sich bei ihnen die Freude entwickelt, ist das einfach schön.

Bei dir gibt es einen spannenden Mix zwischen beruflichem, wissenschaftlichem und kreativem Schreiben. Wie kommt das?

In meinem Ansatz ist das kreative Schreiben das Fundament, auf dem man alles aufbauen kann. Die Haltung, die ans kreative Schreiben geknüpft ist – also das lustvolle Schreiben –, kann ins berufliche und ins wissenschaftliche Schreiben genauso einfliessen. Und natürlich auch ins persönlich reflektierende Schreiben. Im kreativen Schreiben gibt es verschiedene Werkzeuge, die man für jede Art des Schreibens nutzen kann.

Du bietest immer wieder Schreib-Retreats an. Sind diese auf das kreative Schreiben ausgerichtet?

Die Menschen, die in meine Retreats kommen, arbeiten bereits an einem Schreibprojekt oder bringen zumindest eine Idee mit, an der sie schreibend arbeiten möchten. Ich unterstütze sie im Grunde nur, indem ich ihnen einen Raum und eine Struktur zur Verfügung stelle. Sie setzen sich dann am Morgen ein Tagesziel und arbeiten in kleinen Einheiten am Schreibprojekt. Am Abend können die Teilnehmenden in der Gruppe teilen, was ihnen gelungen ist. Die Gruppe sorgt für die Energie, die jede:n Einzelne:n trägt.

Das kreative Schreiben ist auch in den Retreats wichtig. Am ersten Tag veranstalte ich jeweils einen kleinen Workshop: Ich stelle ein paar Methoden und Techniken vor, die die Teilnehmenden verwenden oder ausprobieren können, wenn sie wollen. Aber die Schreibprojekte sind ganz unterschiedlich: Im letzten Retreat hat jemand an einer Biografie über seinen Grossvater geschrieben, eine andere Teilnehmerin an einer Kurzgeschichte gearbeitet, wieder eine andere hat einen wissenschaftlichen Text vorangetrieben und ein weiterer Teilnehmer hat seine Träume niedergeschrieben. Es gab aber auch Leute, die sich einfach die Zeit nehmen wollten, um für sich wieder mehr zu schreiben und die eigenen Gedanken zu ordnen. Das ging in die Richtung von Tagebuch und Reflexion. Auch dafür habe ich Impulse mitgehabt.

Schreibcoaching: Unterstützung, die sich lohnt

In Deiner langjährigen Tätigkeit als Schreibcoach hast Du bestimmt auch schon festgestellt, dass sich Menschen manchmal schwertun, sich für ein Schreibcoaching anzumelden. Viele glauben, dass es auch ohne Hilfe von aussen gehen muss. Wann lohnt es sich für Schreibende in ein Schreibcoaching zu kommen?

Eigentlich immer. Leider kommen die Leute fast nur ins Schreibcoaching, wenn sie ein Problem haben. Das ist schade, denn man könnte auch sonst davon profitieren. Wenn es ein Schreibproblem gibt, ist das Schreibcoaching natürlich immer auf dieses Problem ausgerichtet. Viele kommen, weil sie eine Schreibblockade haben oder thematisch feststecken. Manche werden auch von ihrem Chef oder ihrer Chefin geschickt, weil er oder sie möchte, dass die Mitarbeitenden lernen, besser zu schreiben. Diese Menschen profitieren meistens davon, dass sie im Schreibcoaching einen neuen Zugang zum Schreiben finden.

Von einem neuen Zugang zum Schreiben könnte man aber auch profitieren, wenn man nicht in einer Schreibkrise steckt.

Genau – und deshalb würde sich ein Schreibcoaching für alle Menschen lohnen, die schreiben. Ein Schreibcoaching könnte eine Möglichkeit sein, das Schreiben zu reflektieren: Was passiert eigentlich, wenn man schreibt? Wenn man solchen Fragen nachgeht, lernt man sich selbst besser kennen – vor allem im eigenen Schreiben. Man würde dann zum Beispiel entdecken, für was man das Schreiben sonst noch einsetzen könnte, etwa für die Reflexion, das Ordnen von Gedanken, das Erkennen von neuen Perspektiven usw.

Könnte man auch sagen, dass es im Schreibcoaching vor allem ums Schreiben als Tätigkeit geht und weniger um das Produkt, also den fixfertigen Text?

In meinen Schreibcoachings geht es meistens um die Tätigkeit. Es geht darum, das Schreiben als einen Prozess zu verstehen – mit allem, was dazugehört wie das Selbstmanagement, das Zeitmanagement und so weiter. Aber natürlich geht es auch um das Produkt: Viele kommen ja ins Schreibcoaching, weil sie feststecken. Und da geht es in erster Linie darum, dieses Produkt fertigzustellen. Allerdings geht es dabei oft nicht um den Text an sich – also um Stil und ähnliche Dinge –, sondern eher um den Abbau von Schreibblockaden, den Aufbau der Schreibmotivation, die Aufgaben-Priorisierung und dergleichen.

Als Schreibcoach sind wir manchmal besonders gefordert, weil wir verschiedenen Erwartungen der Kund:innen gleichzeitig gerecht werden müssen. So kann es sein, dass wir zuerst prozessorientiert arbeiten: Zum Beispiel klären wir gemeinsam mit der Kundin, was sie unternehmen kann, um eine ablenkungsfreie und motivierende Schreibatmosphäre zu kreieren. Danach vermitteln wir Techniken, mit deren Hilfe die Kundin leichter ins Schreiben kommt. Und schliesslich werden wir gebeten, einen Textteil zu beurteilen und der Kundin Sprachwissen an die Hand zu geben. Wie gehst Du mit solchen Herausforderungen um?

Das ist tatsächlich nicht einfach. Es hilft, alles als Teil von Schreibcoaching zu betrachten, auch das Textcoaching. Wenn ich als Schreibcoach also merke, dass sich meine Klientin ein Textfeedback wünscht, dann leiste ich das. Und wenn ich merke, dass eine Klientin lernen möchte, leichter ins Schreiben zu kommen, dann leiste ich auch das. Und manchmal wechselt das auch im Prozess und manchmal ist auch alles gewünscht. Dann strukturiere ich die Coaching-Stunden dementsprechend und nehme mich Schritt für Schritt den Wünschen der Klient:innen an. Wenn man den Schreibprozess anschaut, dann ist Textcoaching etwas, das relativ spät kommt. Vorher geht es mal darum, überhaupt zu schreiben – und damit tun sich ja viele bereits schwer.

Du begleitest unter anderem Menschen, die beruflich schreiben. Mit was haben sie Deiner Meinung nach am meisten Mühe?

Diese Menschen müssen sich zuerst Schreib- und Sprachwissen aufbauen. Das Schreibcoaching wird dadurch oft etwas trainingshaft. Beim beruflichen Schreiben geht es besonders stark um Zielgruppen- und Nutzenorientierung – doch gerade daran mangelt es vielen Fachtexten. Also gilt es, dieses Wissen bei den beruflich Schreibenden aufzubauen. In diesem Zusammenhang profitieren Firmen meistens mehr, wenn wir Schreibcoaches bei ihnen in der Firma Workshops durchführen, um das Wissen zuerst aufzubauen und danach mit vielen Übungen zu festigen.

Wir machen ähnliche Erfahrungen. Viele unserer Kund:innen haben einen Hochschul- oder Uniabschluss. Im Berufsleben müssen sie dann anspruchsvolle Texte schreiben. Wir stellen in den Schreibcoachings und in unseren Schreibkursen immer wieder fest, dass sich die Leute vor allem auf die sprachliche Oberfläche konzentrieren. Sie interessieren sich für Mikrothemen, die sie kontrollieren können – Kommas, Tippfehler und Schreibweisen. Über die Grundlagen von starken Texten wissen sie aber wenig. Fragen wie die folgenden bleiben oft ungeklärt: Für wen schreibt man? Was ist das Thema? Wie lautet die Hauptbotschaft? Was sind die Kernaussagen? So entsteht manchmal der Eindruck, dass die Leute nur an dem arbeiten wollen, was sie ohne grossen Aufwand kontrollieren können.

Ich kenne diese Zielgruppe: Es sind grundsätzlich gut ausgebildete Leute, die viel schreiben müssen, es aber nie bewusst gelernt haben. Sie schreiben zwar schon seit Jahren, ihnen fehlt aber das Basiswissen. Mit ihnen müsste man im Schreibcoaching Wissen über den Prozess aufbauen: Wie gehe ich überhaupt ein Schreibprojekt an? Welche Fragen muss ich vorab klären? Welche Schreibphasen gibt es und welche Aufgaben stehen wann an? Wenn dieses Wissen fehlt, dann fokussiert man sich tatsächlich lieber auf Kleinigkeiten und Aufgaben, die im Schreibprozess eigentlich erst am Schluss anstehen – das Korrigieren von Kommas und Tippfehlern.

Menschen, die beruflich schreiben, bekommen manchmal ziemlich harte Rückmeldungen von ihren Vorgesetzten. Wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt, stellt sich immer wieder heraus, dass die Vorgesetzten selbst keine ausgeprägte Schreibkompetenz haben. Manche wissen selbst nicht genau, nach welchen Kriterien sie beurteilen, ob das Geschriebene gut oder schlecht ist. Was rätst Du als erfahrene Schreibcoach solchen Menschen: Wie können sie mit solchen Situationen umgehen?

Zuerst muss man verstehen, dass die Vorgesetzten dafür verantwortlich sind, dass gute Texte rausgehen. Deshalb müssen sie die Texte ihrer Mitarbeitenden kritisch beurteilen und allenfalls anpassen. Mein erster Ratschlag an die Schreibenden lautet: Die Rückmeldungen sollte man nicht persönlich nehmen. Sie haben nichts mit der eigenen Person zu tun, sondern betreffen den Text. Danach geht es darum zu schauen, was von der Kritik oder den Vorschlägen der Vorgesetzten stimmig ist und wie man die Anregungen umsetzen könnte.

Und wie geht man mit harter und unqualifizierter Textkritik von Vorgesetzten um?

Ich fürchte, dass man ein Stück weit damit leben muss. In solchen Situationen ermutige ich die Leute im Schreibcoaching, sich ganz konkret auf das Geschriebene zu beziehen. Da kann man sich an klaren Kriterien orientieren, z. B. an den Verständlichkeitsmerkmalen von Schulz von Thun. So sorgt man dafür, dass es im Gespräch über den Text nicht um den persönlichen Geschmack geht, sondern um objektive Kriterien. Ist die Rückmeldung undifferenziert und wenig wertschätzend, dann sollte man darum bitten, den Text gemeinsam durchzugehen und genau zu schauen, was noch nicht passt. So wird es spezifisch und das ist natürlich viel produktiver als eine pauschale negative Rückmeldung. So bekommt man auch die Möglichkeit, bei Unklarheiten nachzufragen. Und es zeigt sich schnell, ob die Vorgesetzten  wissen, von was sie reden.

Wenn beide Parteien unsicher sind, was nun einen guten Text ausmacht, kann das zu einer Pattsituation führen. Deshalb erarbeiten wir in unseren Schreibkursen mit den Teilnehmenden ein Kriterienraster, auf das sich die Mitarbeitenden mit ihren Vorgesetzten verständigen können. Es dient als Grundlage für die Textbesprechung.

Das mache ich genau gleich: Ich gebe meinen Kund:innen meine Checklisten «Was macht Texte verständlich?» mit, an der sie sich orientieren können. Und diese Kriterien können dann auch an die Vorgesetzten weitergegeben werden. So hat man einen gemeinsamen Bezugspunkt, was undifferenzierter Kritik von Anfang an entgegenwirkt. Bei Konflikten rege ich immer an, die Schwierigkeiten miteinander zu lösen. Man könnte zum Beispiel gemeinsam in ein Schreibcoaching gehen oder einen Schreibworkshop für das Team buchen.

Das finde ich auch sehr wichtig. Dann kann man nämlich eine gemeinsame Kultur entwickeln und sich fragen: Wie arbeiten wir mit Text? Worauf achten wir? Was ist und wichtig?

Buchprojekt: Von Schreibfallen und Schreibroutinen

Kommen wir zu Deinem Schreibprojekt: Du hast nun zwei Jahre lang mal intensiv, mal sporadisch an einem Buch gearbeitet. Um was geht es und an wen richtet es sich?

Das Buch richtet sich an Coaches und Berater:innen, aber auch an Erwachsenenbildner:innen. Im Grunde an alle, die beruflich mit Menschen zu tun haben und für ihre Arbeit das Schreiben als Werkzeug einsetzen wollen. Ich zeige, wie das Schreiben als Reflexionstool eingesetzt werden kann, aber auch als Instrument, um sich selber besser kennenzulernen oder um mit Gruppen zu arbeiten. Das Buch bekommt den Titel Versuchen Sie’s mal mit Schreiben! Ein effektives Werkzeug für Coaching, Beratung und Erwachsenenbildung. Das Buch ist so aufgebaut, dass jedes Kapitel mit einer Übung beginnt und am Ende des Kapitels gibt es Reflexionsfragen. Aber auch zwischendurch gibt es immer wieder Übungen, die einen anregen, etwas Neues auszuprobieren. Und natürlich gibt es Schreibanregungen für die Praxis: konkrete Anleitungen und Impulse zum Weitergeben an Coachees und Teilnehmende.

Mittlerweile gibt es viele Schreibratgeber. Was ist neu oder anders in Deinem Buch?

Neu ist, dass sich mein Buch auf das Schreiben als Methode für die Selbstreflexion fokussiert und gezeigt wird, wie man das Schreiben als zusätzliches Tool in Coaching und Beratung einsetzen kann. Neu ist sicher auch die Verbindung zwischen kreativem Schreiben, dem systemischen Beratungs- und Coachingansatz und der Gestaltpädagogik als Gruppenleitungshaltung.

Lief beim Schreiben alles rund? Oder bist Du auch mal in eine Schreibfalle getappt?

Natürlich bin ich ab und zu in eine Schreibfalle getappt (lacht). Ich durchlief wohl einen ganz normalen Schreibprozess, mit allen Hochs und Tiefs, die es gibt. Am Anfang spürte ich eine grosse Lust, war motiviert und sprudelte vor Ideen. Dann hatte ich irgendwann die Erkenntnis, dass das Buchprojekt viel zu gross, viel zu umfangreich werden würde. Ich fragte mich, wie ich all das in ein Buch kriegen soll. Dann ging es darum, eine Struktur zu finden, diese wieder zu verwerfen und neu zu erarbeiten. Danach habe ich drauflosgeschrieben, dass es nur noch rauschte. Und dann kamen auch immer wieder Selbstzweifel, wo man denkt, dass es das doch alles schon gibt, und dass es dieses Buch doch nicht auch noch braucht. So war das.

Wenn Du nun auf diese Schreiberfahrungen schaust, welche Erkenntnisse hast Du gewonnen?

In erster Linie bin ich froh, dass ich den Schreibprozess so erlebt habe. Es hilft einem, das Schreiben besser zu verstehen, wenn man selbst in Schreibfallen tappt und sich da wieder rausheben muss. Bei mir gab es wirklich die ganze Gefühlspalette: von der totalen Überforderung und Verzweiflung bis zur extrem enthusiastischen Schreibfreude. Das Schlimmste war das Kürzen. Das Buch war dreimal so lang, wie es jetzt ist. Ich musste so viel zusammenstreichen, das war echt hart. Und immer wieder runterbrechen und wieder kürzen. Aber jetzt bin ich überzeugt, dass es gut geworden ist. Die Arbeit hat sich gelohnt. Und bei allen Schwierigkeiten war es doch eine schöne Aufgabe.

Was ist das grösste Learning, das Du aus dem Buchprojekt rausnimmst?

Weniger ist mehr. Es gilt, fokussiert zu bleiben, und nicht alles, was man weiss, weitergeben zu wollen.

Wenn weniger mehr ist, glaubst Du daran, dass man das von Anfang an so hinkriegt? Oder braucht man die grosse Textmenge und muss man durch den Kürzungsprozess durch, um schliesslich auf den Punkt zu kommen?

Manche können bestimmt von Anfang an gezielter schreiben, doch mir liegt das nicht. Ich kann nur aus der Fülle schöpfen, wenn ich die Fülle habe. Deswegen muss ich die Fülle zuerst erschaffen, um in der Überarbeitung auf den Punkt zu kommen. Ich muss zuerst gross und breit denken, bevor ich meine Gedanken zuspitze. Am Anfang soll es auch fliessen dürfen, und es fliesst nur, wenn ich mich nicht einschränke.

Als Schreibcoach hast Du bestimmt versucht, gute Selbstmanagement-Strategien zu etablieren. Da gehört auch dazu, wie Du Deinen Schreibort einrichtest. Wie sah Dein Schreibort aus?

Ich muss zugeben, dass ich zu Hause einen relativ unstrukturierten Schreibort habe. Mein Arbeitsplatz ist klein. Sobald sich Bücher und Notizen stapeln, wird es chaotisch. Wenn ich weiss, dass ich eine etwas längere Schreibzeit habe, dann räume ich den Arbeitsplatz auf und schaue, dass da nichts ist, was mich ablenkt. Ausserdem gefällt es mir, an unterschiedlichen Orten zu schreiben: im Wohnzimmer, auf der Couch, auf dem Balkon. Ich mag den Wechsel.

Du hast aber nicht nur zu Hause geschrieben.

Um mich abzukapseln, habe ich mir ab und zu eine längere intensive Schreibzeit an einem anderen Ort genommen. Da habe ich mir meinen Schreibort sehr bewusst eingerichtet: Ich hatte einen grossen Tisch und konnte mein Material organisiert stapeln. Aber auch da habe ich immer wieder in verschiedenen Ecken und Orten geschrieben, bin aber immer wieder an diesen grossen Tisch zurückgekehrt. Wenn ich immer wieder die Orte wechsle, an denen ich schreibe, gewinne ich auch stets neue Sichtweisen und finde wieder neuen Schreibfluss.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Mir hat es schon oft geholfen, einfach meinen Schreibtisch um 90 Grad zu drehen, um einfach mal eine andere Perspektive zu haben. Oft haben bereits kleine Veränderungen eine grosse Wirkung: das Denken geht leichter, das Schreiben fliesst besser, die Motivation ist wieder höher.

Ja, ich merke, das macht auch mit meinem Geist etwas. Deshalb ist das für mich auch so wichtig.

Welche Schreibroutinen hast Du für Dein Buchprojekt etabliert?

Während den Auszeiten habe ich versucht, meine Schreibtage zu strukturieren: Meisten habe ich 1,5 Stunden am Stück geschrieben und dann eine Pause gemacht. Zu Mittag habe ich immer eine längere Pause eingelegt. Und am Abend habe ich gut für mich gesorgt: die Gegend genossen und etwas unternommen, das mir Spass gemacht hat. Ich habe mal mit der Pomodoro-Technik experimentiert. Doch die Arbeitsphasen von ca. 25 Minuten sind mir für grössere Schreibprojekte etwas zu kurz.

Schreibst Du immer allein im stillen Kämmerlein?

Nein. Ich habe längst festgestellt, dass es mir am leichtesten fällt, wenn ich mich einer Schreibgruppe anschliesse. Mit ein paar Kolleginnen treffe ich mich etwa alle 6 Wochen für ein Zoom-Schreibtreffen. Das dauert rund 3 Stunden. Zuerst tauschen wir uns aus, dann schreiben wir – jede für sich – und dann tauschen wir uns wieder aus. Das ist sehr hilfreich. Für mein Buch habe ich mich zudem auch grossen Schreibgruppen angeschlossen. Das hat mich unglaublich motiviert, denn man fühlt sich nicht allein und dank der begrenzten Zeitfenster bleibt man konzentriert und schreibt produktiv. Mit den Teilnehmenden tauscht man sich am Anfang kurz über die eigenen Ziele aus und am Schluss darf man noch erzählen, wie es gelaufen ist. Diese soziale Einbettung ist Gold wert.

Mir hilft das Sprechen über meine Ideen, meinen Text und mein Vorhaben, um Ordnung zu schaffen und zielgerichtet schreiben zu können. Hast Du während Deines Buchprojekts auch nach Gelegenheiten gesucht, über Dein Schreiben und Deinen Text zu sprechen?

Die Gespräche habe ich schon gesucht. Es tut mir gut, wenn ich in so grossen Projekten nicht ganz allein bin. Das ist ja auch das Konzept meines schreib.raum – ein Raum zum Schreiben und ein Raum für den Austausch über das Schreiben. Gerade im Lockdown habe ich mir bewusst solche Gruppen gesucht oder sie selbst organisiert, um mich austauschen zu können. Ich habe mich auch begleiten lassen von einer Schreibcoach, die mir zusätzlich auch Rückmeldungen zum Text gegeben hat. Mit ihr konnte ich regelmässig über die Struktur und ähnliche Dinge sprechen. Diese Begleitung war enorm hilfreich. Auch wenn ich selbst Schreibcoach bin, heisst das noch lange nicht, dass ich selbst keine Begleitung brauche. Man ist beim Schreiben die meiste Zeit allein, umso wichtiger ist es, sich Möglichkeiten zu schaffen, um sich auszutauschen. Das gehört eigentlich auch zu meiner Schreibroutine.

Textqualität: Eigene Texte beurteilen

Zu unserer Interview-Reihe mit Schreib- und Fachtext-Profis gehört es, dass der letzte Interview-Gast dem nächsten eine Frage stellen darf. Deswegen möchte ich Dir die Frage von Urs Häfliger stellen. Er möchte von dir wissen: Wieso weisst Du, dass ein Text von Dir gut ist?

Das ist eine gute Frage! Oft ist es ja so, dass man sich nicht ganz sicher ist, aber man hofft, dass er gut ist. Gewissheit habe ich eigentlich erst, wenn ich die Reaktion von Lesenden bekomme: Wenn sich zum Beispiel die Leser:innen meines Newsletters bei mir melden, dann weiss ich, mein Text hat etwas ausgelöst, eine Resonanz erzeugt. Ich tue mich ein wenig schwer mit den Kategorien «gut» und «schlecht». Es geht eher darum, ob der Text die Menschen angesprochen und ob er etwas ausgelöst hat.

Ich stelle jetzt den zweiten Teil von Urs’ Frage dennoch: Nach welchen Kriterien bewertest Du Deine Texte als gut?

Manchmal lese ich mir die Texte selbst laut vor, denn mir ist der Rhythmus in der Sprache wichtig. Wenn der Rhythmus da ist, dann ist das ein Zeichen, dass es passt. Zudem achte ich darauf, ob es Passagen gibt, die Lebendigkeit erzeugen, allenfalls Emotionen wecken. Und natürlich braucht jeder Text einen roten Faden. Erst am Schluss achte ich dann noch auf lange und verschachtelte Sätze und die ganzen sprachlichen Aspekte.

Unser nächster Interview-Gast ist Tina Hascher. Sie ist Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Bern. Was möchtest Du von ihr wissen?

Nachdem sie Lehrende ist und selber schreibt, möchte ich meine Frage zweiteilen. Erste Frage: Wie gelingt es Dir, Deine eigene Schreibmotivation aufrechtzuerhalten? Zweite Frage: Wie schaffst Du es, die Studierenden zu motivieren und zum Schreiben zu ermutigen.


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