Ob Du in Deinem Fachtext die Lesenden von Deinem Anliegen überzeugst, hängt von Deiner Argumentation ab. Doch wie entwickelst Du Argumente, die auch eine kritische Zielgruppe überzeugen? In diesem Beitrag erfährst Du, wie Du Deine Argumentation strukturiert aufbaust, auf Gegenpositionen eingehst und Deine fachliche Glaubwürdigkeit stärkst.
Was bedeutet Argumentieren?
«Argumentieren heisst, andere von der Richtigkeit oder Falschheit einer Aussage zu überzeugen.» So formuliert es der bekannte Linguist Otto Kurse pointiert – aber auch etwas plakativ. Deshalb möchte ich das noch ein wenig ausdifferenzieren:
Argumentieren bedeutet, eine Position nachvollziehbar zu begründen, mit überzeugenden Belegen zu stützen und sich mit möglichen Gegenargumenten sachlich auseinanderzusetzen – mit dem Ziel, andere zum Mitdenken, Umdenken oder Handeln zu bewegen.
Das Argumentieren hat also immer eine kommunikative Funktion: Es geht darum, einen Standpunkt zu begründen, anschlussfähig zu formulieren – und damit die Grundlage für fundierte Urteile oder Entscheidungen zu schaffen.
Was sind argumentative Fachtexte?
Gutachten: Ein Gutachten nimmt Stellung zu einer Frage oder Problematik. Es analysiert, bewertet und kommt zu einer begründeten Schlussfolgerung – oft mit der Empfehlung für oder gegen eine bestimmte Massnahme.
Stellungnahmen: Sie dienen dazu, einen Standpunkt zu vertreten – etwa gegenüber Behörden, in politischen Prozessen oder innerhalb von Organisationen.
Fachartikel: Haben Fachartikel das Ziel, Meinungen zu bilden, sind sie argumentativ. Besonders dann, wenn sie Thesen aufstellen, bestehende Praktiken infrage stellen oder neue Lösungswege aufzeigen.
Anträge: Sie enthalten in der Regel eine Forderung oder eine zentrale Empfehlung – und begründen diese ausführlich. Anträge arbeitet mit Fakten, aber auch mit Wertungen, Nutzenargumenten und oft auch mit Gegenargumenten, die entkräftet werden.
Bericht: Berichte gelten als sachlich und neutral – dennoch spielt das Argumentieren auch hier eine zentrale Rolle. Immer dann, wenn Du im Bericht bewertest, eine Entwicklung deutest oder Empfehlungen aussprichst, musst Du eine fachlich begründete Einschätzung formulieren. Du ziehst also Schlussfolgerungen auf Basis von Fakten, Rückmeldungen oder Beobachtungen – und machst so nachvollziehbar, warum Du zu Deiner Einschätzung gelangst. Wie Du gute Berichte schreibst, erfährst Du in diesem Blogbeitrag.
Was ist ein Argument – und was ist eine Argumentation?
Ein Argument ist eine gedankliche Einheit, bestehend aus einer These (Aussage) und einer Begründung und einem Beleg. Es erklärt, warum eine bestimmte Aussage plausibel ist – und macht diese Einschätzung für andere nachvollziehbar.
Eine Argumentation wiederum ist mehr als ein einzelnes Argument. Sie besteht aus mehreren, logisch aufeinander abgestimmten Argumenten, die zusammen eine These stützen, eine Empfehlung begründen oder eine kritische Einschätzung herleiten. Eine gute Argumentation bezieht immer auch Gegenpositionen mit ein – und führt zu einer nachvollziehbaren Schlussfolgerung (siehe dazu das Kapitel «Bestandteile einer guten Argumentation»).
In Fachtexten ist nicht immer die gleiche argumentative Tiefe gefragt. Manchmal genügt es, ein einzelnes Argument gezielt zu platzieren – etwa in einem Empfehlungskasten oder einem Zwischenfazit. Das ist oft in Berichten der Fall, in denen nur punktuell ein Standpunkt vertreten wird.
In anderen Fällen ist eine vollständige Argumentation erforderlich – etwa in Gutachten, Stellungnahmen oder Fachartikeln. In diesen Fällen muss eine These nachvollziehbar begründet, differenziert hergeleitet und gegen Einwände abgegrenzt werden.
Argumentieren mit dem 3-B-Schema
Um schlüssig zu argumentieren, gibt es eine bewährte Grundstruktur – das 3-B-Schema:
- Behauptung: Was ist Deine zentrale Aussage?
- Begründung: Warum ist diese Aussage richtig, relevant oder notwendig?
- Beleg: Woran lässt sich das nachvollziehen oder objektiv überprüfen?
Um das 3-B-Schema zu veranschaulichen, hier ein Beispiel:
- Behauptung: Der Bestand der Bachforelle in der Aare ist gefährdet, …
- Begründung: … weil die mittlere Wassertemperatur seit Jahren steigt – und Bachforellen empfindlich auf höhere Temperaturen reagieren.
- Beleg: Laut Messungen des Bundesamts für Umwelt ist die durchschnittliche Wassertemperatur zwischen 1970 und 2022 um rund 2°C gestiegen. Im gleichen Zeitraum haben die Fangerträge der wärmeempfindlichen Bachforelle um 80% abgenommen, wie das Fischereiinspektorat Bern in seinem Jahresbericht aufzeigt.
Natürlich ersetzt das 3-B-Schema keine komplexe Argumentation, wenn das Thema es verlangt. Doch es hilft, den Kern eines Arguments sauber herauszuarbeiten – und erhöht so Deine Überzeugungskraft im Kleinen wie im Grossen.
Bestandteile einer guten Argumentation
Einleitung: So schaffst Du in Deiner Argumentation Orientierung
Leite Deine Argumentation mit einem kurzen Abschnitt ein: Zeige, warum Du überhaupt argumentierst, was Dein Ziel ist und an wen sich Deine Überlegungen richten. Diese Kontextualisierung schafft Orientierung – und macht es Deinen Lesenden leichter, Deiner Argumentation zu folgen.
Je nach Textsorte kann diese Einleitung unterschiedlich ausgestaltet sein:
- In einem Gutachten ist sie meist Teil der Auftragsbeschreibung.
- In einem Antrag ergibt sie sich aus der formulierten Problemstellung.
- In einem Bericht kann sie eigenständig als kurzer Kontextabschnitt erscheinen.
Beispiel: Im vorliegenden Bericht wird begründet, weshalb zusätzliche Schutzmassnahmen für die Bachforelle in der Aare bei Bern geprüft werden sollen. Das Ziel ist es aufzuzeigen, wie stark diese wärmeempfindliche Art unter dem anhaltenden Temperaturanstieg leidet und welche weiteren Faktoren für den drastischen Bestandsrückgang verantwortlich sind.
These und Begründung: So signalisierst Du in Deiner Argumentation einen logischen Zusammenhang
Ein Argument besteht sprachlich in der Regel aus zwei Teilen: einer These und einer Begründung. Diese Teile sind durch Konnektoren wie weil, deshalb, also, denn und so weiter miteinander verbunden – sie signalisieren den logischen Zusammenhang zwischen These und Begründung.
Beispiel: Der Bestand der Bachforelle in der Aare sinkt, weil die durchschnittlichen Wassertemperaturen aufgrund des Klimawandels gestiegen sind.
Die These benennt den Kern, um den es in der Argumentation geht. Die Begründung liefert den Grund für die Glaubwürdigkeit der These.
Belege, Differenzierungen und Spezifizierungen: So wird Deine Aussage glaubwürdig
Plausible Argumentationen beruhen auf einer nachvollziehbaren und rationalen Begründung sowie auf Belegen, Hintergrundwissen und Spezifizierungen. Um Deine Aussagen belastbar zu machen, kannst Du folgende Belege und Referenzen nutzen:
- Daten
- Studien
- Statistiken
- Normen, Werte und Gesetze
- Fachberichte
- Etablierte Zusammenhänge innerhalb des Fachgebiets
- Beispiele oder Fallbeschreibungen
In unserem Beispiel zur Bachforelle braucht es etwa Belege, die unter anderem zeigen, dass die mittlere Wassertemperatur der Aare in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Darüber hinaus sollten Studien darüber angeführt werden, um zu differenzieren, ob es nur die höheren Wassertemperaturen sind, die die Bachforelle unter Druck setzen, oder ob auch die Zunahme von fischfressenden Vögeln und der Befischungsdruck durch Sportfischer. Erst wenn all diese Faktoren berücksichtigt und eingeordnet sind, wirkt das Argument robust und differenziert.
Ein weiteres wichtiges Element des Argumentierens sind Spezifizierungen. Denn Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit der These. In unserem Fallbeispiel verdeutlichen sie zudem den Zusammenhang zwischen der abnehmenden Anzahl Bachforellen und den steigenden Wassertemperaturen.
Beispiel: Der Bestand der Bachforelle in der Aare ist seit 1970 um rund 80 % zurückgegangen. Ein Grund dafür ist der Anstieg der mittleren Wassertemperatur um etwa 2°C – eine Entwicklung, die gemäss hydrologischer Langzeitmessungen des Bundesamts für Umwelt direkt mit dem Klimawandel in Verbindung steht.
Gegenthesen: So gehst Du in Deiner Argumentation auf mögliche Einwände ein
Beim Argumentieren in Fachtexten solltest Du auch auf Gegenthesen und Einwände eingehen. Diese müssen korrekt dargelegt, ernst genommen und glaubwürdig widerlegt werden. Denn es gehört zum Wesen des Argumentierens, gezielt und fair mit Gegenmeinungen umzugehen.
Eine Argumentation ist in fachlichen Kontexten umso glaubwürdiger, je unvoreingenommener der Umgang mit Gegenmeinungen erfolgt. Formuliere also Gegenthesen bzw. Einwände und entkräfte diese dann mit plausiblen Begründungen – oder räume ein, dass das Gegenargument Aspekte enthält, die berechtigt sind und aufgegriffen werden sollen. Dieses Zugeständnis nennt man auch Konzession.
Beispiel: Die These, dass der Rückgang der Bachforelle in erster Linie auf die Ausbreitung des Kormorans zurückzuführen sei, hält sich hartnäckig – insbesondere unter Sportfischern. Zwar kann der Prädationsdruck durch Kormorane lokal und in strukturarmen Gewässerabschnitten erheblich sein. Tatsächlich zeigen Studien jedoch, dass der Einfluss dieses fischfressenden Vogels auf die Bachforellenbestände in der Aare nur einer von mehreren Belastungsfaktoren ist.
Schlussfolgerungen: So rundest Du Deine Argumentation ab
Verdeutliche am Ende der Argumentation, was aus Deinen Ausführungen folgt – fachlich, praktisch und unter Umständen auch strategisch. Eine Schlussfolgerung fasst nicht einfach nur zusammen, sondern ordnet die Argumentation ein:
- Was bedeutet sie für die Zielgruppe?
- Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Welche nächsten Schritte sind sinnvoll?
Wenn Du am Anfang eine Einleitung oder einen Kontextabschnitt formuliert hast, kannst Du hier auf diese Ausführungen zurückkommen. Das schafft inhaltliche Geschlossenheit – und zeigt, dass Deine Argumentation nicht nur logisch, sondern auch zielgerichtet ist.
Beispiel: Wenn der Temperaturtrend in der Aare anhält, der Bestand von fischfressenden Vögeln nicht reguliert und die Befischung durch Sportfischer nicht eingeschränkt wird, wird die Bachforelle in der Aare wahrscheinlich aussterben. Um das zu verhindern, sollten folgende Massnahmen ergriffen werden: […]
Argumentation inhaltlich und sprachlich gezielt ausrichten
Ein Argument ist nur dann überzeugend, wenn es in der Welt der Lesenden funktioniert. Was für die eine Zielgruppe ein starkes Argument ist, kann für eine andere irrelevant oder sogar kontraproduktiv wirken. Deshalb gilt: Eine gute Argumentation ist immer zielgruppenorientiert.
Wer sein Publikum kennt, kann gezielt jene Werte ansprechen, die für die Zielgruppe relevant sind – etwa Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Fairness, Innovationskraft oder Verantwortung. Dieselbe Argumentation wirkt je nach Kontext und Zielgruppe ganz unterschiedlich – und sollte entsprechend angepasst werden.
Wenn Du also Deine Argumentation entwickelst, lohnt es sich, vorab folgende Fragen zu klären:
- Welche Grundannahmen, Interessen und Werte teilt mein Publikum?
- Welche Begriffe, Formulierungen oder Metaphern sind dort positiv besetzt – und welche gilt es zu vermeiden?
- Welche typischen Einwände oder Vorbehalte gibt es – und wie kann ich ihnen sachlich begegnen?
- Welche Zielkonflikte könnten entstehen – und wie gehe ich damit um?
- Ist meine Sprache der Zielgruppe angemessen – fachlich präzise, aber auch verständlich und anschlussfähig?
- Wirkt meine Argumentation eher rational, moralisch oder emotional – und passt das zur Lesererwartung?
Argumentation überprüfen: Reflexion
Wenn Deine Argumentation steht, folgt ein letzter, aber unerlässlicher Schritt: Überprüfe, ob sie auch wirklich überzeugt – inhaltlich, logisch und stilistisch. Denn eine gute Argumentation entfaltet ihre Wirkung nicht nur durch Substanz, sondern auch durch Stringenz, Klarheit und Adressatenorientierung.
Diese Fragen helfen Dir bei der Reflexion:
- Ist meine Argumentation widerspruchsfrei?
- Sind die Belege glaubwürdig, aktuell und fachlich fundiert?
- Gibt es argumentative Schwachstellen, Lücken oder unbeantwortete Fragen?
- Habe ich meine Schlussfolgerung klar benannt – und leite ich sie nachvollziehbar aus den Argumenten ab?
- Habe ich Gegenpositionen fair dargestellt – und überzeugend eingeordnet oder entkräftet?
- Ist meine Argumentation auf die Zielgruppe abgestimmt – sprachlich, thematisch und inhaltlich?
- Sind meine Formulierungen klar und präzise – oder bleiben sie vage, floskelhaft oder interpretationsoffen?
- Sind wichtige Begriffe einheitlich und konsistent verwendet – oder entstehen Missverständnisse durch begriffliche Unschärfen?
- Ist die Argumentation im Text sichtbar strukturiert – etwa durch Absätze, Signalwörter und eine sinnvolle Reihenfolge?
Nutze diese Fragen, um die Überzeugungskraft Deiner Argumentation zu stärken – und damit auch Deine fachliche Glaubwürdigkeit.
Schreib Fachtexte, die überzeugen

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