Wie gut redigierst Du? Und wie gut werden Deine Texte redigiert? Aus unseren Schreibkursen wissen wir, dass Korrekturschleifen von Fachtexten nicht immer zielführend und konstruktiv sind. Deshalb zeigen wir Dir, wie es besser geht. Diskutiere diesen Beitrag gerne mit Deinem Team – er dient Euch als Grundlage, um eine gemeinsame Redigierkultur zu etablieren.
«Ganz ehrlich – zu viele Köche verderben den Brei.» Das meinte eine Schreibkursteilnehmerin, als wir über die Textüberarbeitung sprachen. Eine andere Teilnehmerin äusserte sich so: «Bei uns wird jeder Text von fünf oder mehr Personen gegengelesen. Danach sieht das Dokument aus wie ein Schlachtfeld: voller Korrekturen und Kommentare. Das ist nicht gerade motivierend. Den Text dann vernünftig zu überarbeiten, fällt mir schwer.»
Kommt Dir das bekannt vor? Wir stellen fest, dass viele Schreibende dieses Problem kennen. Das liegt vor allem an fehlenden Absprachen. Wird nicht geregelt, wer für welche Aspekte des Textes zuständig ist, machen alle alles – und das Chaos bricht aus. Die redigierten Texte sehen dann tatsächlich aus wie ein Schlachtfeld: zig Kommentare und zig Korrekturen in bunten Farben – aber kein klares Ziel. Lauten die Kommentare dann noch «Unklar», «Was heisst das?» oder «Unverständlich», ist das wenig wertschätzend den Schreibenden gegenüber – und vor allem auch nicht hilfreich.
Wie das besser geht, zeigen wir Dir im Folgenden.
Richtig redigieren – unsere Tipps
Die folgenden Tipps sollen Dir und Deinen Teammitgliedern helfen, Eure Texte konstruktiv, wertschätzend und zielorientiert zu überarbeiten. Besprecht diese Empfehlungen und trefft verbindliche Absprachen, wie Ihr beim Redigieren vorgehen wollt. So könnt Ihr gemeinsam eine positive Redigierkultur entwickeln.
Absprachen treffen
«Kannst Du mal kurz meinen Text gegenlesen?» Diese Bitte ist oft der Anfang einer frustrierenden Erfahrung: Wer redigiert, nervt sich an dem unsauber gearbeiteten Text – wer schreibt, findet es übertrieben und wenig konstruktiv, wie mit dem Text umgegangen wird. Damit das nicht passiert, muss dem Redigieren genug Zeit eingeräumt werden und es braucht klare und verbindliche Absprachen. Denkt dabei immer auch an die Zielgruppe: Legt zum Beispiel fest, wie viel Vorwissen die Zielgruppe hat, was sie vom Text erwartet, welche Sprache angemessen ist usw. Klärt danach, was redigiert werden soll. Unterscheidet dabei mindestens zwischen diesen Textebenen:
- Inhalt: Sind die Fakten korrekt? Ist der inhaltliche Tiefgang angemessen? Sind die Zahlen korrekt? Stimmen die Namen von Personen, Orten und Unternehmen? Stimmen die aufgezeigten Zusammenhänge? Sind Zitate freigegeben?
- Struktur: Weckt der Einstieg Interesse und erzeugt er idealerweise einen Sog? Hält dieser Sog an? Ist der Text stimmig aufgebaut? Ist ein roter Faden erkennbar, eine Dramaturgie, eine innere Logik?
- Leseführung: Sind Titel und Überschriften aussagekräftig? Bietet der Text einen guten Einstieg? Hat der Text eine gute äussere Gliederung, damit sich die Lesenden schnell orientieren können? Stimmen alle Vor- und Rückverweise? Hat der Text wo nötig Überleitungen?
- Sprache und Stil: Sind die Sätze gut strukturiert? Ist das Vokabular für die Zielgruppe verständlich? Hat der Text Längen oder überzeugt er durch Prägnanz? Stehen die Sätze mehrheitlich im Aktiv und wird das Passiv gezielt eingesetzt? Gibt es unnötigen Nominalstil? Kannst Du Füllwörter streichen?
Text zuerst ganz durchlesen
Bevor Du mit dem Redigieren beginnst, verschaffe Dir einen Überblick: Lies den gesamten Text einmal in Ruhe durch und markiere dabei erste Stolperstellen. Lasse Dich aber nicht gleich beim ersten Schreib-, Komma-, Grammatik-, Logik- oder Satzbaufehler dazu verleiten, sofort mit dem Redigieren zu beginnen. Denn dann veränderst Du den Text, ohne zu wissen, worauf er hinausläuft. So riskierst Du, Änderungen vorzuschlagen, die unnötig sind, weil der Text bereits eine Lösung enthält, die Du erst später entdeckst.
Allgemeine Einschätzung – auch mit positiven Aspekten:
Beim Redigieren neigen wir oft dazu, nur nach den Schwächen eines Textes zu suchen, um ihn zu verbessern. Dabei vergessen wir, dass jeder Text auch positive Aspekte hat. Beginne Deine Einschätzung also damit, die Stärken des Textes hervorzuheben. Das ist nicht nur wertschätzend, sondern motiviert die Autor:in, diese Stärken weiter auszubauen. Zudem schafft ehrliches Lob eine konstruktive Atmosphäre, in der Kritik besser angenommen wird.
In Deiner allgemeinen Einschätzung solltest Du auch kurz die Punkte nennen, auf die Du Dich beim Redigieren konzentriert hast. Kritische Anmerkungen sind in Ordnung, solange sie konstruktiv formuliert sind. Hier ist ein Beispiel, wie eine solche Einschätzung aussehen könnte:
«Ich finde, dass Du das Thema sehr gründlich behandelt hast. Besonders gut hat mir gefallen, wie Du das Konzept von X erklärt hast. Auch die Argumentation zum Thema Y und die anschliessenden Beispiele zur Veranschaulichung sind sehr gelungen. Verbesserungspotenzial sehe ich bei der Struktur: Um den roten Faden zu optimieren, wäre es hilfreich, Abschnitt X vor Y zu platzieren. Dadurch könnte der Zusammenhang noch klarer werden. Ausserdem schlage ich vor, einige Fachbegriffe für eine breitere Leserschaft zu erklären, zum Beispiel so: [Beispiel]. Alles weitere kannst Du meinen Korrekturen und Kommentaren entnehmen.»
Die Begründung – das A und O, um zielgerichtet zu redigieren
Egal, was Du am Text änderst, korrigierst oder kritisierst: Du musst immer begründen können, was Du tust – Dir gegenüber und noch viel wichtiger: der Autor:in gegenüber. Wenn diese versteht, warum eine Änderung vorgeschlagen wird, ist sie eher bereit, diese umzusetzen. Bleibt die Begründung aus, wirkt die Überarbeitung willkürlich und verkommt schnell zur reinen Geschmacksache. Dann sind auch die Diskussionen nicht mehr konstruktiv und zielführend.
Wenn Du Mühe hast, zu benennen, was an einem Text nicht gut ist, fehlt Dir womöglich das nötige Schreibwissen. Dieses kannst Du Dir in einem Schreibkurs aufbauen. Idealerweise tust Du das gleich gemeinsam mit Deinem Team. Dann haben alle den gleichen Wissenstand und Ihr könnt Euch viel einfacher darauf einigen, was für Euch die zentralen Qualitätsmerkmale von Texten sind. Falls Dich das interessiert, nimm mit uns Kontakt auf und schon kommt der Stein ins Rollen.
Korrekturen und Kommentare richtig einsetzen
Redigiere immer im Modus «Änderungen nachverfolgen», damit die Autor:in selbst entscheiden kann, welche Anpassungen sie übernehmen möchte. Wichtig dabei: Halte Dich an die getroffenen Absprachen. Wenn die Autor:in ausdrücklich um Hilfe bei der sprachlich-stilistischen Überarbeitung bittet, ist es frustrierend, wenn Du stattdessen Änderungen an der Struktur vornimmst. Wenn Du eine Passage komplett umschreiben möchtest, formuliere lieber in einem Kommentar einen Vorschlag zur Umformulierung. Das wirkt weniger invasiv und respektiert die Arbeit der Schreibenden.
Kommentare sind generell ein hervorragendes Werkzeug beim Redigieren. Sie ermöglichen es Dir, auf Unklarheiten hinzuweisen, Lösungen vorzuschlagen und Fragen zu stellen. Dabei gilt:
- Sei spezifisch: Vermeide allgemeine oder vage Kommentare wie «Unklar» oder «Was soll das heissen?». Benenne stattdessen, was Du nicht verstehst. Beispiel: «In diesem Abschnitt sprichst Du zuerst von X und dann von Y. Allerdings klärst Du nicht, wie diese beiden Punkte zusammenhängen.»
- Schreibe ganze Sätze und vermeide Fehler: Formuliere in Deinen Kommentaren ganze Sätze. Abgehakte Formulierungen sind weniger gut verständlich und wirken wenig wertschätzend. Achte zudem darauf, dass Du fehlerfrei schreibst, sonst wirkt das, was Du vorschlägst, unglaubwürdig.
- Sei höflich und respektvoll: Selbst wenn Du umfangreiche Änderungen vorschlägst, ist es wichtig, höflich und respektvoll zu bleiben. Vermeide einen Ton, der als hart und herablassend aufgefasst werden könnte.
- Biete Lösungen an: Zeige nie nur Probleme auf, sondern biete auch Lösungsvorschläge oder Verbesserungsideen an. Zum Beispiel: «Der Zusammenhang zwischen X und Y könntest Du noch stärker herausarbeiten, zum Beispiel so: [Lösungsvorschlag].»
- Stelle Fragen und gib eine Handlungsempfehlung: Bei einer Unklarheit kannst Du der Autor:in immer auch eine Frage stellen und ihr eine Empfehlung geben: «Was muss ich mir unter X und Y genau vorstellen? Versuche diese beiden Punkte etwas klarer zu beschreiben. Falls Du nicht um das abstrakte Vokabular herumkommst, könnte jeweils ein Beispiel die Verständlichkeit erhöhen.»
- Mache ein Angebot zur Klärung: Wenn Du Mühe hast, einen Textabschnitt zu verstehen und diesen zielgerichtet zu überarbeiten, darfst Du das natürlich so festhalten. Mache dann aber immer ein Angebot – zum Beispiel: «Ich kann Deiner Argumentation in diesem Abschnitt nicht folgen. Unklar ist mir insbesondere, wie X und Y zusammenhängen. Gerne können wir diese Stelle mündlich besprechen und versuchen, eine Lösung zu entwickeln.»
- Erwähne auch Positives: Vergiss nicht, ab und zu auch positive Aspekte des Textes hervorzuheben. Denn ein kurzes Lob für eine gelungene Formulierung, eine überzeugende Argumentation oder ein gut gewähltes Beispiel motiviert und schafft eine konstruktive Atmosphäre: «Mit dieser Argumentation hast Du mich vollends überzeugt», «Toller Titel!», «Super Beispiel, da zauberst Du mir gleich Bilder in den Kopf».
Klare Absprachen, konstruktives Feedback und zielorientierte Kommentare bilden die Grundlage, um gut redigieren zu können. Mit unseren Tipps kannst Du gemeinsam mit Deinem Team eine positive Redigierkultur entwickeln. Wenn Ihr dabei Unterstützung benötigt, melde Dich gerne bei uns. Gemeinsam finden wir den besten Weg, um Eure Redigierprozesse effektiv und wertschätzend zu gestalten.